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Der Rather See - eine Geschichte über Naturschutz und eine Wassersportanlage

Vom 24. Oktober bis zum 06. November 2019 sind interessierte Bürger*innen zur Offenlegung der angepassten Bebauungsplanentwürfe am Rather See eingeladen. Sie können sich informieren und Stellungnahmen zu den geänderten Passagen abgeben, über die der Rat entscheidet. Die Pläne liegen in einem Büro des Stadtplanungsamt (im Stadthaus) in Deutz aus. Nun gewährt die Verwaltung auch endlich Einsicht in die Artenschutzgutachten.

In der Anfrage im Juni 2019 hatte die GUT die Verwaltung gebeten, insbesondere zu Umweltschutzaspekten beim Bauvorhaben am Rather See Stellung zu nehmen. Wir wollten auch wissen, was dagegen spricht, das Artenschutzgutachten erneut offen zu legen. Denn, die Initiative #ratherseefrei hatte sich mit Bezug auf das Umweltinformationsgesetz NRW an die Behörde gewandt, um nachträglich Einblick in die Unterlagen zu erhalten. Sie kritisierten, dass das Gutachten unvollständig sei. Unserer Meinung nach stand es der Behörde frei, die Dokumente an interessierte Bürger*innen herauszugeben. Die Verwaltungsantwort legte bislang die Vermutung nahe, dass ein mehr an Transparenz vermeintlich gegen Gesetze verstoße.

Während eines laufenden Bebauungsplanverfahrens gehen die spezielleren Einsichtsrechte aus dem Baugesetzbuch (BauGB) den Einsichtsrechten nach dem Umweltinformationsgesetzes Nordrhein-Westfalen (UIG NRW) grundsätzlich vor. Ein Grund dafür ist, dass es für das Land Nordrhein-Westfalen keine spezifizierte Regelung gibt. In diesem Fall tritt das Umweltinformationsgesetz NRW hinter das geltende Bundesrecht in Form des BauGB zurück.

Verwaltung gewährte freiwillig bisher keine Einsicht in Gutachten

“Die Gewährung eines umfassenden Informationsanspruchs nach dem UIG NRW würde die durch § 3 Abs. 2 S. 1 BauGB eingeräumte gemeindliche Entscheidungs- bzw. Einschätzungsbefugnis mittelbar unterlaufen und liefe daher dem Schutzzweck der spezielleren Einsichtsrechte nach dem BauGB zuwider.” Lautet die Verwaltungsantwort. Das bedeutet, die Offenlegung der Gutachten hat stattgefunden (BauGB). Wenn die Behörde die Dokumente wiederholt offen legen würde, und sich dabei auf das in diesem Fall untergeordnete Umweltinformationsgesetzt (UIG NRW) berufen würde, wäre das nicht korrekt. Zumindest formaljuristisch. Hier verpasste die Verwaltung die Chance, freiwillig transparent zu handeln. “Als Begründung zieht das Stadtplanungsamt eine Regelung aus dem Baugesetzbuch heran, die eigentlich die Transparenz von Bauvorhaben fördern soll. Das Stadtplanungsamt missbraucht ein Gesetz zur Herstellung von Transparenz zur Schaffung von Intransparenz. Wir haben Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht.”, erklärt Marc Michalsky, ein Mitglieder von #ratherseefrei. Mit Unterstützung der Open Knowledge Foundation wollten sie so die Freigabe der Unterlagen erwirken. Eine Woche später kündigte die Verwaltung an, die Gutachten im Rahmen der Offenlegung der Bebauungsplanentwürfe online einsehbar zu machen.

Nach Auffassung der Verwaltung weisen die Gutachten keine Mängel auf und entsprechen den Anforderungen an ein rechtssicheres Bebauungsplan-Verfahren. Eine vertiefende Artenschutzprüfung (Stufe II) wurde während des Projektzeitraums erstellt und kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass am See keine Arten vorkommen, die unter besonderem Schutz stehen. Der BUND kam zu einem anderen Ergebnis und begründet dies in einer Stellungnahme.

Wald wird am Rather See aufgeforstet

Unbestreitbar zu Lasten der Umwelt geht allerdings der Verlust der genutzten Wasserfläche. Der Rather See ist ein schützenswertes Gewässer. Hierfür sollten unserer Ansicht nach Ausgleichsflächen entstehen, die auch das Umweltdezernat einfordern sollte. Allerdings unterliegt eine mögliche Kompensation städtebaulichen Abwägung, so dass das Umweltdezernat diesbezüglich keine Forderungen stellen kann.

Immerhin hat der Landesbetrieb Wald und Holz NRW (in Funktion der Oberen und Unteren Forstbehörde) im Laufe des Planverfahrens angemerkt, dass ein Waldausgleich beim Bauvorhaben am Rather See notwendig ist.

Dadurch setzte das Stadtplanungsamt zusätzliche Aufforstungsbereiche rund um das Seegelände fest. Standortgerechte Bäume und Sträucher sollen auf dem Gebiet für Waldausgleich sorgen. Insgesamt werden 10.672 m² aufgeforstet. So ergibt sich laut Plan ein Ausgleichsfaktor von 88% für den Waldausgleich.

Ein erstes Fazit

Die Naturschutzaspekte beim Bauvorhaben am Rather See rücken stärker in den Fokus der Verwaltung. Einige umweltschutzkritischen Punkte wurden in dem Bebauungsplan aufgegriffen und Ausgleichsflächen eingeplant. Jedoch lässt die Verwaltung nicht mehr Transparenz in Sachen Naturschutz zu, als unbedingt nötig. Die Einsicht in die Artenschutzgutachten am Rather See gab die Verwaltung erst frei, nachdem #ratherseefrei Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht hatte.

Ist der Rather See noch zu retten?

In seiner Sitzung vom 07. Mai 2020 stimmte der Stadtentwicklungsausschuss dem Bebauungsplan-Entwurf des Rather Sees mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP zu. In der Regel folgt der Rat einem solchen Beschluss. Deshalb gilt die Entscheidung in der kommenden Sitzung am Donnerstag über die Beschlussvorlage zum Bau einer Wasserskianlage am Rather See als Formsache. In diesem Fall wäre das ein Votum gegen Klima- und Naturschutz, das wir so als GUT nicht mittragen wollen. Mit einem Änderungsantrag wollen wir auf der Ratssitzung am 14. Mai 2020 unsere Chancen nutzen, eine umweltverträgliche Nutzung als Badesee (ohne Wasserski-Anlage!) doch noch möglich zu machen.

Die anstehende Ratsentscheidung bereitet Kölner Naturschützer*innen Kopfschmerzen. Rund 1,3 ha des Waldes am Rather See sollen gerodet werden, damit dort genügend Platz ist für Parkplätze, Strandbad und drei Wasserskibahnen. Welche Möglichkeiten haben Kölner*innen nun noch, um den Naturschutz trotz drohendem Bauvorhaben am Rather See sicherzustellen?

Die Initiative #ratherseefrei setzt sich seit Jahren für freie Zugänglichkeit und für den Erhalt der Natur am Rather See ein. Den drohenden Beschluss empfinden die Aktivist*innen als Diskreditierung ihres langjährigen Engagements, da ihre Anliegen bislang politisch ignoriert wurden. So wirken die selbst gesteckten Umweltziele der Stadt und das Ausrufen des Klimanotstands auf die Umweltschützer*innen wie reine Makulatur. Sobald Demonstrationen wieder erlaubt sind, wollen sie ein Zeichen setzen – selbst wenn es dann zu spät ist, um etwas an der Ratsentscheidung zu ändern.

Unser Antrag: Natur am Rather See retten

In unserem geplanten Änderungsantrag greifen wir Impulse der Initiative #ratherseefrei auf. Noch befindet sich unser Antrag in Abstimmung, auch mit weiteren möglichen Antragsteller*innen, folgende Punkte sind uns im Antrag wichtig:

  • Eine*n Sachverständige*n, der/die bei den Bauarbeiten am Rather See für die Einhaltung der Umweltauflagen zuständig ist.  Seine/Ihre Dokumentation muss öffentlich zugänglich sein.
  • Eine umweltverträgliche Nutzung als Badesee, ohne Wassersportanlagen.
  • Gastronomische Nutzung, sozial verträgliche Eintrittsgelder, Betriebszeiten wie im bisherigen Entwurf vorgesehen
  • Zur Erreichbarkeit wird ein Mobilitätskonzept entwickelt, dass auf Rad und ÖPNV setzt.
  • Reduzierung der Stellplätze auf das Mindestmaß: notwendige Behindertenparkplätze, sowie Plätze für Lieferanten und Rettungskräfte
  • Keine Fällung von Bäumen mit großen Kronen

Die Aktivist*innen von #ratherseefrei überlegen zeitgleich, ob sie juristisch gegen den Beschluss vorgehen werden. Gegenstand ihrer Klage wären fehlerhaft und unvollständig erstellte Artenschutzgutachten. Die Geldmittel für eine solche Klage müssten sie jedoch durch Spenden generieren.

Und sollte auch dieses Vorhaben scheitern, planen die Initiatoren das Geschehen am Rather See unabhängig von Gutachtern zu dokumentieren und die Umweltfolgen für Köln rot zu unterstreichen.

Auf Unterstützung kann #ratherseefrei durch die Initiative gruensystem.koeln setzen. Sie führt eine Verlustliste der Grünsysteme, um zu zeigen, wie Grün langsam aber sicher in Köln verschwindet. Auch der  Rather See wird leider bald auf dieser Liste zu finden sein. Die Unterstützer*innen führen fein säuberlich auf, wem die jeweilige Entscheidung gegen den Erhalt des Grüns zu verdanken ist. So können sich auch die Parteien vor der Wahl am 13. September 2020 noch einmal an ihre Versprechen und Versäumnisse zum Klimaschutz erinnern.

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