Zum Hauptinhalt springen

Mehr Wirtschaftswissen für lebenswerte Städte

Kurz vor der Sommerpause hat der GUT-Köln-Arbeitskreis-Wirtschaft sein Know-how bei einer Weiterbildung vertieft: Wir haben zwei Tage in Berlin beim Deutschen Institut für Urbanistik (difu) verbracht und das Seminar „Neue Wirtschaftsmodelle für resiliente Städte“ besucht.

Der erste Tag: GWÖ und Donut

Der erste Seminartag stellte zwei unterschiedliche Wirtschaftsmodelle in den Mittelpunkt: Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) und Donut-Ökonomie. Der zweite Tag widmete sich stärker Umsetzungsbeispielen, wie der Zero-Waste-Stadt Kiel, Sozialunternehmen, modernen Konsumgenossenschaften oder dem Circular Valley.

Alle Themen des Seminars stellten auf unterschiedliche Weise die Frage: Wie können Kommunen ihre Wirtschaftsförderung so ausrichten, dass die nachhaltige und gemeinwohlorientierte Wirtschaft in der Stadt gestärkt wird? Wir haben viel Input und spannende Anregungen erhalten.

GWÖ in Steinheim

Großen Raum nahm die GWÖ ein. Die GWÖ möchte den Wettbewerb um Profit durch den Wettbewerb um das Gemeinwohl ersetzen. Neben die Finanzbilanz tritt gleichberechtigt die Gemeinwohlbilanz. Unternehmen erarbeiten in einem sehr strukturierten Prozess eine Gemeinwohlbilanz, die alle zwei Jahre erneuert wird. Unternehmen mit einer (guten) Gemeinwohlbilanz erhalten dann Steuervorteile oder werden von der öffentlichen Hand bei der Beschaffung bevorzugt.

Neben diesem Fokus auf die Unternehmen hat die GWÖ eine Bilanz für Kommunen entwickelt und stellt die Frage: Wie nachhaltig, ökologisch und damit gemeinwohlorientiert handelt eigentliche eine kommunale Stadtverwaltung?

Am Beispiel der Stadt Steinheim stellte der Referent die GWÖ-Bilanzierung für eine Kommune vor. Natürlich kann man argumentieren, dass eine Kommune so oder so dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Mit Hilfe der GWÖ kann die Stadt aber prüfen, ob und wieweit das wirklich umgesetzt ist.

Gibt es zum Beispiel Prozesse in der Verwaltung, die für die Menschen in der Stadt und im Interesse von Nachhaltigkeit und Gemeinwohl verbessert werden können? Mit dieser und vielen ähnlichen Fragen setzte sich die Stadt Steinheim beim Bilanzierungsprozess auseinander.

Links:
https://www.steinheim.de/Stadt-Rathaus/B%C3%BCrger/Gemeinwohl%C3%B6konomie

https://stiftung-gemeinwohloekonomie.nrw/gemeinwohlregion-kreis-hoexter/projekt/

https://koeln.business/gemeinwohl-bilanzierung

Donut-Ökonomie in Bad Nauheim

Die Donut-Ökonomie legt zwei Grenzen fest, die global gelten und nicht über- oder unterschritten werden dürfen: Das wirtschaftliche Handeln der Menschen muss immer innerhalb der planetaren und sozialen Grenzen bleiben.

Mit planetaren Grenzen sind zum Beispiel Klimawandel, Biodiversität oder Luftverschmutzung gemeint. Hier sind die planetaren Grenzen zum großen Teil schon weit überschritten. Die sozialen Grenzen wiederum dürfen gleichzeitig nicht unterschritten werden. Allen Menschen müssen zum Beispiel einen ausreichenden Zugang zum Gesundheitssystem oder zu Bildung haben. Daraus ergibt sich ein Handlungsspielraum, der in Form eines Donuts dargestellt wird. Ziel ist es, dass die Menschheit innerhalb des Donuts lebt und wirtschaftet. In der Donut-Ökonomie wird das zur neuen Messgröße, die herkömmliche Kennzahlen wie das BIP ablöst.

Dieses Konzept lässt sich auf die kommunale Ebene herunterbrechen: Was muss die Stadt tun, um im Donut zu leben? Die Stadt Bad Nauheim hat sich diese Frage gestellt, und eigene Kriterien entwickelt, wie sie dazu beitragen kann die planetaren Grenzen zu respektieren und gleichzeitig ein gutes Leben für alle Menschen in Steinheim zu ermöglichen. So ist unter intensiver Einbeziehung der Menschen in der Stadt der „Bad Nauheim-Donut“ entstanden.

Links:
https://www.bad-nauheim.de/de/lebenswert/nachhaltigkeit-klima

https://de.wikipedia.org/wiki/Donut-%C3%96konomie

Zero Waste in Kiel

Seit Februar 2023 ist Kiel die erste Stadt in der Bundesrepublik, die das Siegel "Zero Waste Certified City" erhalten hat. Damit einhergehen ehrgeizige Ziele:

Bis 2035 will die Stadt an der Ostsee den Restmüll halbieren und die Gesamtmenge des Mülls in der Stadt um 15 Prozent senken. Das Kieler Zero Waste-Konzept haben Verwaltung, Politik, engagierte Bürgerinnen und Bürgern und Initiativen wie Zero Waste Kiel e.V. in enger Kooperation gemeinsam entwickelt. Es liegt seit Ende 2020 vor und wurde vom Rat der Stadt beschlossen.

Abfallvermeidung ist sicher ein sehr wichtigstes Thema, das die Wirtschaft vor Ort umsetzen muss. Hilfreich sind solche Konzepte wie in Kiel, wo sich bereits erste Erfolge einstellen. Kiel kann damit Vorbild für andere Städte sein. Wird Köln die zweite zertifizierte Stadt?

Links:
https://zerowaste-kiel.de/

https://www.kiel.de/de/umwelt_verkehr/zerowaste/_dokumente_zerowaste/zerowaste_kiel_konzept.pdf

Sozialunternehmen

Sozialunternehmen haben ein Anliegen: Sie wollen dazu beitragen, gesellschaftliche Probleme zu verringern oder gar zu lösen. Kreative Menschen setzen ihren unternehmerischen Geist ein, um die Stadt voranzubringen. Ziel eines Sozialunternehmens ist es neue Wege zu finden, um das Gemeinwohl voranzubringen und die Ursachen von gesellschaftlichen Problemen zu beseitigen. Dabei steht der soziale und ökologische Mehrwert im Fokus, finanzielle Gewinne sichern die Existenz und sind Mittel zum Zweck.  

Im Seminar wurden zahllose Beispiele von Sozialunternehmen vorgestellt wie zum Beispiel „Bantabaa“, ein afrikanisches Restaurant, das aus einer Flüchtlingsinitiative entstanden ist. Einen Überblick über Sozialunternehmen findet man bei SEND e.V..

Link:
https://www.send-ev.de/

Konsumgenossenschaften: Dorfläden, Kneipen & Mehr

Konsumgenossenschaften sind Zusammenschlüsse von Menschen, die gemeinsam Produkte oder Dienstleitungen zur Verfügung stellen und konsumieren. Im heutigen Sprachgebrauch könnte man sie eher „Verbraucher*inngenossenschaften“ bezeichnen.

Derzeit gibt es nur in Leipzig und in Dresden größere Supermärkte, die als Konsumgenossenschaft organisiert sind. Der Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften hat sich daher neu aufgestellt und fördert nun Genossenschaftsgründungen im Dienstleistungssektor. So sind Genossenschaften wie Greenpeace Energy im Energie-Sektor oder neue Wohnungsbaugenossenschaften entstanden.

Ein weiterer sehr interessanter Bereich sind Dorfläden, Buchhandlungen, Kinos oder Kneipen. Meist schließen sich Menschen zu einer Konsumgenossenschaft zusammen, wenn sie einen Mangel erleben. Wenn der Dorfladen oder das Kino schließen oder kein Gemüse in Bioqualität im Stadtteil zu kriegen ist, dann kann die Verbrauchergenossenschaft die Lösung sein.

In Köln gibt es einige Initiativen, die eine Genossenschaft gegründet haben oder dies planen. Beispielsweise existiert in Ehrenfeld eine Kneipe mit dem sprechenden Namen „Die Trinkgenossen“. Im Moment ist eine weitere Gruppe dabei einen neuen genossenschaftlichen Supermarkt zu gründen. Das „Köllektiv“ möchte „Gemeinschaftlich anders einkaufen“.

Links:
https://www.koellektiv.org/

https://trink-genosse.de/

Kreislaufwirtschaft: Circular Valley

In der derzeit vorherrschenden Wirtschaft werden der Umwelt Ressourcen entnommen, zu Produkten und Dienstleistungen weiterverarbeitet und später als Emissionen in Boden, Luft und Wasser entsorgt – 100 Milliarden Tonnen Schadstoffe jährlich. Das Circular Valley wirkt dieser Entwicklung entgegen, denn es ist ein weltweit einzigartiger Hotspot zur Etablierung einer zukunftsorientierten zirkulären Wirtschaft.

Im Circular Valley in Wuppertal treffen sich internationale Startups, Unternehmen, Wissenschaft und Politik. Branchen- und technologieübergreifend arbeiten sie gemeinsam daran, Stoffkreisläufe entlang bestehender Wertschöpfungsketten zu schließen, Politikempfehlungen zu entwickeln und die Öffentlichkeit nachhaltig über das Thema zirkuläre Wirtschaft zu informieren.

Link:
https://www.circular-valley.org/

Input für die Förderung einer gemeinwohlorientierten Wirtschaft in Köln

An den Konzepten, Unternehmen und Ideen, die im Seminar vorgestellt wurden, muss jede Kommune ein starkes Interesse haben. Denn diese Wirtschaftsmodelle und -akteure stellen das Gemeinwohl – nicht den Profit – ins Zentrum ihres Handelns. Trotzdem gibt es nur wenige Ansätze diese alternative, gemeinwohlorientierte Wirtschaft gezielt zu fördern. Das gilt auch für Köln.

Wirtschaftsförderung und nachhaltige, gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung müssen aber in keinem Gegensatz stehen. Konzepte wie die Gemeinwohlökonomie, die Kreislaufwirtschaft oder die Donut-Ökonomie zu unterstützen, bedeutet lediglich die etablierte Wirtschaftsförderung zu ergänzen. Zu dieser „Wirtschaftsförderung 4.0“ haben wir in Berlin viel Input und Anregungen erhalten.

Links:
https://gut-koeln.de/aktuelles/alle-beitraege/veranstaltung-nachhaltige-und-gemeinwohlorientierte-wirtschaft 

https://difu.de/

P.S.: Kein Interesse bei Politiker*innen?

Der erste Tag des Seminars startet mit einer kleinen Überraschung: Wir sind die einzigen ehrenamtlichen Politiker im Raum. Alle anderen sind Wirtschaftsförderinnen und -förderer und Immobilienfachleute, die sich professionell mit dem Thema auseinandersetzen. Ist das Thema für Kommunal-Politik nicht wichtig? Wir haben jedenfalls gern zwei Urlaubstage in die Weiterbildung investiert.

Zusatzinfo für die Bürokratie unserer Lieblingsstadt: Ein GUT-Mitglied und sachkundiger Einwohner der "Die FRAKTION" (Steffen Böning; Bauauschuss) war im Namen der "Die FRAKTION" und mit einem weiteren GUT-Wählergruppenmitglied (Peter Jüde) in Berlin.

Kommentare (1)

  • Raik
    22.06.2023, 07:57 Uhr
    Es ist mehr als erfreulich, wenn sich die Politik, hier konkret GUT Köln, ganz praktisch mit neuen Formen der Ökonomie befasst und somit Szenarien für Zukunft nicht mehr nur dem Wachstumspostulat unterwirft. Donat Ökonomie, Social Entrepreneurship, Gemeinwohlbilanz, Freigeld, neue Genossenschaften, etc. - dies sind relevante Themen und Akteure für eine „neue soziale Marktwirtschaft“.
    Dankeschön fürs Teilen.

Beitrag kommentieren