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Opernsanierung – Hochkultur für 650 Millionen Euro

Die Kölner Oper – eine Sanierung in vielen, teils undurchschaubaren Akten.
Ein Kommentar von Ratsmitglied Karina Syndicus.

Opernsanierung. Blick auf die Louge

Die Zahl 650 Millionen Euro ist für die meisten Menschen kaum fassbar. Um so mehr erstaunt es, dass diese Summe durch die Sanierung eines Opernhauses zustande kommen konnte.

Damit ich das ganze Ausmaß ein wenig besser verstehen konnte, bat ich meinen Referenten einen Besichtigungstermin vor Ort auszumachen. Denn diskutieren lässt sich viel, mit den eigenen Augen sehen, aber eben mehr.

So machten sich mein Referent Frank Theilen von Wrochem, unsere Referentin Karin Preugschat und ich uns Ende Januar 2020 auf den Weg zur derzeit wohl teuersten Baustelle Kölns. Nach einem ausführlichen Vortrag von Sanierungschef Bernd Streitberger und anschließender Führung durch den Kommunikationsleiter Christopher Braun, konnte ich mir ein eigenes Bild machen.

Soviel vorab: Es ist verzwickt.

Ein Leuchtbild inmitten von Trümmern

Die viel beweinte, ehemals von vielen Kölner*innen als die schöner befundene Oper, wurde nach dem zweiten Weltkrieg abgerissen. Köln lag in Trümmern, und der Architekt Wilhelm Riphahn plante eine neue Oper, die sich aus der Mitte der Zerstörung durch einen schrecklichen, traumatischen Krieg, als Leuchtbild für eine wiederauferstehende Stadt aus eben diesen Trümmern erheben sollte. Es handelt sich um ein Spätwerk von Riphahn und lässt sich architektonisch nicht ganz einordnen. Von außen wohl am meisten an den Brutalismus erinnernd, lassen sich die ganzen Feinheiten erst im Inneren bestaunen.

Wenn wir heute von Oper und Hochkultur sprechen, haben wir sofort ein klischeebeladenes Bild vor Augen: von teuren Abendroben und ordentlichen Mengen Champagner. Riphahn jedoch, wollte eine Oper für die Bürger*innen schaffen. Am eindrucksvollsten lässt sich diese Idee vielleicht zu unseren Füßen finden.

Boden und Kunst

Auf dem Offenbachplatz ist Quarzit verlegt, ein besonders harter und extrem beständiger Stein. Dieser Bodenbelag des öffentlichen Platzes wird übergangslos zum Fußboden des Opernfoyers und führt bis an die Treppe zur Garderobe. Man sollte das laute, alltägliche Klappern der Absätze in der Oper hören. Erst wenn die Besucher*innen sich über die Treppenstufen in die nächste Etage begeben, dämpfen dort Teppiche an der Bar und in den Opernsaal die Schritte der flanierenden Gäste. Damit wollte Riphahn den Effekt der andächtigen Stille, die kurz vor Beginn der Aufführung einsetzt, verstärken und den Kontrast zum Alltagslärm verdeutlichen .

Dieser Gedanke wurde in den 60er Jahren kurzzeitig völlig ignoriert, als man, dem Ideal einer autofreundlichen Stadt entsprechend, eine Brücke zwischen Saalvorraum und Parkhaus baute. Von dieser baulichen Verbindung wurde zugunsten der Architektur mittlerweile Abstand genommen und die Brücke ist zurückgebaut. Das tut auch der bildenden Kunst vor Ort gut. Denn unscheinbar, am Eingang zu besagter Brücke, hing das größte erhaltene Werk des Künstlers Otto Freundlich, dessen Kunst im Naziregime als “entartet” galt. Er wurde von den Nazis verfolgt und ermordet, sein kostbares Werk hatte den Krieg in einem privaten Schuppen überstanden. Bis zur Fertigstellung der Oper wird das Bild im Museum Ludwig ausgestellt und wartet dort geduldig auf die große Eröffnungsfeier der Oper, wenn es endlich einen Platz erhält, der seinem Wert angemessen ist.

Denkmalschutz und Neubau der Opernsanierung

Doch zurück zur Baustelle. Was den Denkmalschutz des Bauwerkes betrifft, habe ich keinerlei Zweifel am Wert des Erhalts. Nehmen wir einmal die handgefertigten Gipsstäbchen der Belüftungsanlage oder das kaukasische Flügelnussfurnier der Seitenwände im Opernsaal. Denkmalschutz bedeutet eben, diese zu erhalten und nicht durch ein einfaches Gitter aus dem 3D Drucker bzw. genormtes Buchenholzfurnier aus dem Baumarkt zu ersetzen. Es bedeutet nachgipsen und das Furnier der heute sehr, sehr selten gewordenen kaukasischen Flügelnuss einzeln zu entfernen, aufzuarbeiten, richtig zu lagern, damit sich kein Teil verzieht und anschließend wieder anzubringen.
Das ist alles sichtbar und soweit noch nachvollziehbar, und bis auf Schwankungen auch gut zu kalkulieren.

Was kaum jemand sieht, ist der gesamte Neubau, der stattgefunden hat. Um eine bessere Bühnenlogistik zu ermöglichen, wurde unter anderem ein Schienensystem in den Boden der Kreuzbühne eingelassen. Dadurch ist ein zügiger Wechsel des Bühnenbildes möglich, und Schauspiel, Oper und Kinderoper können zeitgleich spielen, ohne sich in die Quere zu kommen. Zudem ist nun ein unkompliziertes Anliefern und Lagern der Bühnenbilder machbar. Sie mussten zuvor in Einzelteile zerlegt, stundenlang transportiert und schließlich wieder aufgebaut werden.

Opernsanierung: Rückbau und Neuinstallierung

Und nun komme ich zum wirklich teuren, und wirklich schiefgegangen Teil des Hauses: die Haustechnik. Während die Bühnentechnik sich weltweit wirklich sehen lassen kann, liegt bei der Haustechnik doch so einiges im Argen.

Anfangs sollte Raum für Raum der Oper, immerhin über 2000(!) Stück, saniert werden. Wer einmal den heiklen Brandschutz und dessen aktuelle Bestimmungen durchdenkt, weiß, dass dieser gerade bei Sanierung von Denkmälern solcher Größe, ein gefährlicher Faktor ist. Während in dem einen Raum noch alles gut ist, Wärme, Kälte, Belüftung, Starkstrom und Niedrigstrom ihren Platz finden, hat man im nächsten Raum plötzlich mit einer vollkommen anderen Deckenhöhe und einem notwendigen Aufzug zu tun.

Plötzlich ist die Planung hinfällig und alles muss rückgebaut werden, da zum Beispiel Fluchtwege nicht mehr möglich sind. Hier kommt natürlich der Gedanke auf: „Aber irgendwer muss doch sehen, was es für Folgen hat, wenn man plötzlich einen Lüftungsschacht mit einem halben Meter Durchmesser vor eine Treppe baut.”

Ja, so auch bei mir.

Die Oper, bzw. die Stadt übernimmt nun die Kosten für den Rückbau und die Neuinstallierung. Die Firmen, die so gebaut haben, zu belangen, würde nichts bringen, so die Aussage der Oper, außer einen jahrelangen Rechtsstreit und die Gefahr, dass betreffende Firmen am Ende Insolvenz anmelden und die Stadt letztendlich auf allen Kosten sitzen bleibt.

Mangelhafte Objektüberwachung

Hier gab es in der Vergangenheit schlicht eine mangelhafte Objektüberwachung. Aus diesem Fehler resultierend, wurde im Rat der Stadt Köln am 15. März 2016 beschlossen, die bisherige Betriebsleitung der Bühnen Köln um einen technischen Betriebsleiter zu erweitern. Der eigentliche Eröffnungstermin im November 2015 war schon längst in weite Ferne gerückt.

Der Betrieb der Interimsstätten, die Insolvenz der Rohbaufirma, die langwierigen Ausschreibungen, all das führte zu einem sich immer höher auftürmenden Kostenberg.
Ja, es ist wahrlich schiefgelaufen und manch einer fragt sich, was man sonst doch alles mit dem Geld hätte tun können, hätte man diese Sanierung frühzeitig gestoppt und einfach von vorne angefangen.

Die Frage ist zum Teil berechtigt, denn natürlich hätte es Wichtigeres gegeben als die Kölner Oper zu sanieren. Es gibt aber natürlich immer Wichtigeres und am Ende ist man meist auch schlauer.

Was ist schon der Erhalt der Gleueler Wiesen, wenn am anderen Ende der Welt der Regenwald gerodet wird und wie unsinnig erscheinen die Millionen der Sanierung eines Hochkulturobjektes, wenn anderenorts in Köln digitale Endgeräte für den Distanzunterricht fehlen?

Dann wiederum bauen wir gerade für sehr viele Millionen Euro eine riesige Autobahnbrücke, wobei wir doch vom motorisierten Individualverkehr wegwollen…

Vielfalt mit Hoch- und Subkultur

Doch halt! Ohne Hochkultur keine Subkultur. Eine Stadt der Vielfalt wünsche ich mir. Die Option, im schicken Kleid, umgeben von kaukasischem Flügelnussfurnier dem Stück zu lauschen, während Menschen über den Offenbachplatz flanieren können – ja, das geht, denn hier hat man beim Thema Schallschutz aus den Fehlern der Philharmonie gelernt – sowie die Möglichkeit, das kleine Ensemble im Kellertheater zu besuchen, dass erwarte ich von einer Millionenstadt wie Köln. Und ich erwarte, dass wir, auch unabhängig von Corona-Maßnahmen, kleine Spielstätten subventionieren, um uns eine Vielfalt der Kultur und Szene zu erhalten.

Oper für alle

Die Oper, sofern wieder eröffnet, ist im Übrigen tatsächlich nicht nur Champagner und Chichi. Jede*r Kritiker*in schaue sich dazu genauer die Preisgestaltung an: Karten für die Kinderopernkonzerte und die vergünstigten Tickets für Oper und Schauspiel für Empfänger*innen von ALG2 , Studierenden, usw.

Es sollte wieder eine Oper für Bürger*innen werden. So würde man dem Gedanken Riphahns folgen. Die enorme Kostenexplosion ist jedoch alles andere als bürgernah.
Die Frage ist, was wäre gewonnen, wenn man die Sanierung morgen stoppen würde?

Verloren wäre in jedem Fall viel Geld, viele Jobs und eben ein Teil der Kulturszene. Wenn wir jetzt die Sanierung der Oper stoppen, was geben wir morgen auf? Das nächste Denkmal? Eine weitere Kulturstätte?

Mir war es wichtig, ein persönliches Bild von der Baustelle zu haben, die Zahlen zu studieren, alte Ratsbeschlüsse durchzugehen und mit Bauhelm an endlosen Kabelschlaufen vorbeizulaufen, um in künftigen Sitzungen eine Position vertreten zu können.

Denn ob der viel geforderte Abriss und Neubau günstiger wäre, ist fraglich.

Ob es im Jahr 2024 zur Schlüsselübergabe kommt jedoch auch.

Als beratendes Mitglied im Ausschuss für Kunst und Kultur werde ich die Monatsberichte der Oper und des Schauspiels weiterhin kritisch beobachten und meine Schlüsse daraus ziehen.

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