Rheinpendel – eine Vision für den Kölner Nahverkehr
Im Laufe der letzte Monate entwickelte GUT das RHEINPENDEL.
Ein neues Seilbahnsystem für Köln, das das ÖPNV-Netz stärkt und ausbaut.
Köln kann Seilbahn. Als erste Stadt in Europa nutzten wir diese Technologie zur Flussquerung. Aber könnte Köln Seilbahn heute besser? Moderne Technologien erlauben es, die Seilbahn in einem kompletten Streckennetz zu denken. Unser Rheinpendel.
Jede größere Betrachtung und Analyse des Öffentlichen Nahverkehrs in und um Köln stößt im Kern auf dieselbe Herausforderung beim Ausbau zukunftsträchtiger Mobilitätsoptionen – der antike und mittelalterliche Stadtgrundriss und die Zerteilung des Stadtgebietes durch den größten Strom Europas. Der Rhein, der gordische ÖPNV-Knoten. Der Sanierungsbedarf der Brückeninfrastruktur ist ein eindrucksvolles Symptom dessen.
Neue und zusätzliche Rheinquerungen spielten auch in der Diskussion um die Ost-West-Achse eine Rolle. Vor allem zusätzliche Brücken und eine Rheinuntertunnelung waren im Gespräch. Orientiert an der Glaubensfrage, ob man Nadelöhre entlastet, indem man sie vergrößert (Rheintunnel) oder den Verkehrsfluss über neue Radialen entzerrt. Brücken- und Tunnelbau sind zeit- und kostenintensive Infrastrukturprojekte. Sie sind Instrumente, um an ein Ziel zu kommen. Einzig, das Ziel scheint nicht so klar.
Wie lässt sich das bestehende Schienen- und Busnetz sinnvoll erweitern unter Berücksichtigung der bereits beschlossenen Pläne (Roadmap KVB, S-Bahnausbau DB)? Welche Technologie bietet eine zusätzliche und technisch unabhängige Mobilitätsebene, die große Kapazitäten möglichst emmissionsfrei transportieren kann? Wie lassen sich die Verkehrsströme von innen nach außen denken?
Anforderungen an ein breitflächiges ÖPNV-Netzerweiterungsprojekt:
- Barrierefreiheit
- (neuer) Teil des Umweltverbundes
- ergänzt, vernetzt und entlastet die bestehende sowie geplante Verkehrsinfrastruktur —> Radexpresswege, Stadtbahn, S-Bahn, RE, DB-Fernverkehr, Autobahnen, innerstädtische MIV-Achsen
- erschließt neue Stadtquartiere
- entlastet prioritär die Rheinquerungen (Nadelöhre)
- möglichst emissionsfrei im Stadtraum
- hohe Kapazitäten bei geringen Betriebs/Energiekosten
- (volks)wirtschaftlich optimal kalkuliert —> Förderfähigkeit
- zügige Amortisierung (15 Jahre)
- städtebauliche Verträglichkeit
- möglichst platzsparend im Straßen- und Stadtraum
- optimierte Projektierung —> kurze Bauzeit
- architektonische Highlights
- attraktives Reiseerlebnis
Moderne Seilbahnsysteme als Bestandteil des urbanen Nahverkehrs schlafen in Deutschland ihren Dornröschenschlaf. Dabei ist die Liste der Proargumente beachtlich. Mittlerweile können diese Systeme bis zu 7.000 Passagiere pro Stunde und Fahrtichtung transportieren. Das entspricht Doppelgelenkbussen im Zwei-Minutentakt. Der Transport geschieht zumindest im Stadtraum komplett emissionsfrei. Der Energieverbrauch ist etwa halb so groß wie der einer Straßenbahn. Die Infrastruktur lässt sich schnell, weil parallel bauen (Beispiel Ankara: Bauzeit zwei Jahre bei einer Streckenlänge von 3,5km). Die Trassenführung lässt sich je nach Bedarf an die örtlichen Herausforderungen (Wohnbebauung, Flussquerung, Höhenunterschiede) anpassen. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist im Vergleich zu sämtlichen anderen Verkehrsträgern unschlagbar. Ein Seilbahnkilometer inkl. der Stationsinfrastruktur wird in der Regel mit 6 bis 8 Millionen Euro kalkuliert. Ein U-Bahnkilometer liegt bei etwa 250 Millionen Euro.
Das Thema ist nicht neu in Köln. Neben der historischen Seilbahn am Zoo gab es bereits Überlegungen für eine Seilbahn zwischen Deutz/ Messe und linksrheinisches Ufer. Auch im Süden parallel zur Rodenkirchener Brücke gab es dazu schon Gedankenspiele. Die meisten Betrachtungen waren punktuell und auf eine Wegebeziehung zwischen A und B begrenzt. Stand der Technologie erlaubt es aber, das Seilbahnsystem als ein Gesamtnetz mit mehreren Stationen zu konzipieren. Dabei kann das Netz ab einer bestimmten Größe nur in unterschiedlichen Sektoren, also mit mehreren Förderseilen funktionieren. Mit dem Vorteil, dass unterschiedliche Sektoren mit unterschiedlichen Umlaufgeschwindigkeiten und variierenden Taktdichten möglich sind.
Was könnte das für Köln bedeuten?
Wenn man Überquerung von Wohnbebauung ausschließt (größter Kritikpunkt bei ähnlichen Plänen in München, Wuppertal oder Bonn), bleiben als Trassenoptionen der Rhein, die Uferbereiche und die angrenzenden Grünzüge. Also dort, wo der ÖPNV an den verstopften Nadelöhren krankt.
Mülheimer Süden, Deutzer Hafen und Parkstadt-Süd stehen vor ihrer Entwicklung, die Industrieflächen um den Niehler Hafen und die Fordwerke werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen und das Messezentrum im Innenstadtbereich bringt einmalige Herausforderungen bei der Frage der Verkehrslenkung.
Ein Seilbahnsystem, das den Norden und den Süden der Stadt verbindet und dabei mehrere zusätzliche Rheinquerungen schafft, birgt Potenzial. Die Autobahnkreuze im Norden und im Süden lassen sich erschließen und bieten neue P&R-Optionen. Die Stationen selbst lassen sich als Mobilitätshubs (und Micro-Depots) konzipieren. Mit angegliedertem Car-Sharing, Bus und Schienenoptionen sowie Radabstellanlagen. Die hier beispielhaft dargestellte Trassenführung schafft 24 Kreuzungsmomente mit dem bestehenden Stadtbahn- und 43 Kreuzungsmomente mit dem bestehenden Busnetz. Die Kapazitäten der Gondeln erlauben die Mitnahme von Fahrrädern, Kinderwägen, Rollatoren und Gepäck. Besonders die Fahrradmitnahme ermöglicht völlig neue Wegebeziehungen für Pendlerinnen und Pendler aus der Stadt und dem Umland.
Ein kritischer Punkt ist der städtebauliche Eingriff. Die Berührungspunkte mit dem Dom als Weltkulturerbe und denkmalgeschützten Bereichen, z.B. an der Bastei oder dem verlängerten Grünzug bis hin zum Ebertplatz. Beispiele aus anderen Städten zeigen jedoch, dass sich Stationen, Stützpfeiler und Gondeln modern und mit hohem architektonischen Anspruch gestalten lassen. Die Stützpfeiler des Etihad Cable Car in London sind gute Beispiele. Gestaltungswettbewerbe können den unterschiedlichen Sektoren/ Veedeln mit ihren unterschiedlichen städtebaulichen Prägungen gerecht werden.
Ein Seilbahnsystem über eine Länge von 33,5 Kilometern mit 21 Stationen kann theoretisch über zwei Millionen Passagiere pro Tag befördern bei einer Taktdichte von ca. 30 Sekunden und der Annahme, dass jede Gondel an jeder Station komplett gelehrt und wieder befüllt wird. Letzteres entspricht nur der Theorie, doch selbst bei einem Zwanzigstel wären es noch 100.000 Passagiere pro Tag. Damit lassen sich zigtausende PKW- und Busfahrten ersetzen. Dabei laufen leistungsfähige Seilbahnen mit einer Geschwindigkeit bis zu 35 km/h. Die Strecke Bonner Verteiler bis Messe/Deutz ließe sich in rund 20 Minuten zurücklegen – stau- und ampelfrei sowie ohne Wartezeiten.
Die Chancen und Möglichkeiten durch den Raumgewinn sind enorm. Der touristische Wert bestimmt groß. Im Vordergrund stehen aber die Chancen für den Ausbau und die Erweiterung des innerstädtischen Umweltverbundes. Seilbahnen gelten als Sonderverkehrsmittel des Schienenverkehrs und sind förderbar durch Land und Bund. Wir können sie als Option mitdenken.
Bauzeit sowie Bau- und Betriebskosten betragen einen Bruchteil im Vergleich zum Schienenverkehr. Die Infrastruktur lässt sich so schnell auf- wie wieder abbauen, etwa bei signifikanter Weiterentwicklung der Mobilitätstechnologie.
Es gibt keinen Grund, warum Köln diese Option nicht für sich eruieren sollte. Mit den Fordwerken und dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum versammeln sich Kompetenz und Kapazitäten im Stadtgebiet zu Entwicklung der Technologie. Die Möglichkeit, sich bundes- und europaweit als mutiger und entschlossener Innovationsstandort zu etablieren, liegt auf der Hand – bzw. über dem Rhein.
Kommentare (4)
BSchall
05.08.2023, 15:18 UhrGUT Köln
05.08.2023, 16:50 UhrViva la Simpsonsche Monorail!
Kathi
19.02.2024, 14:45 UhrEs ist etwas was den Verkehr entlassten würde und auch was Natur freundliches mit sich bringen würde.
Man könnte die Seilbahn auch gut mit der Straßenbahn verbinden und dadurch beides etwas entlassen.
Ein Nachteil ist, das Teile der Einwohner Kölns ihre Privatsphäre verlieren und dies sie stört und dadurch dagegen sind —> da müsste man eine Variante finden, welche beide Seiten glücklich macht.
Leppes
22.02.2024, 16:21 Uhr