Klimanotstand wirklich ernst nehmen – kein „weiter so“
Redebeitrag und Soli-Aktion von Nicolin Gabrysch am 8.12.2022 im Stadtrat Köln
„Ich stehe hier nicht nur als Politikerin, sondern auch als Mutter und Lebewesen auf diesem Planeten. Und ich bin verzweifelt. Wütend, und sehr verzweifelt. Wenn wir es mit dem Klimanotstand wirklich ernst nehmen, dann darf es kein „weiter so“ geben.
Der heute zu beschließende Hitzeaktionsplan ist ein sehr wichtiges Instrument angesichts der Klimakatastrophe, die bereits in vollem Gang ist. Er ist ein Baustein von vielen, wenn es darum geht unseren Lebensraum für die Zukunft möglichst klimaresilient zu gestalten und in einer Großstadt wie Köln bei sengender Hitze zu überleben.
Allerdings wird hier einmal mehr nur an den Symptomen herumgedoktert, anstatt endlich konsequent, schnellstmöglich und umfassend, und ENDLICH der Drastik der Situation entsprechend zu handeln und mit höchster Priorität die URSACHEN der Klimakatastrophe zu bekämpfen.
Schön und gut wenn wir heute einen Hitzeaktionsplan beschließen – aber warum wurde der Beschluss zum Masterplan Stadtgrün ins nächste Jahr vertagt? Worauf warten wir da noch? Wir haben keine Zeit für „weiter so“!
Der konsequente Erhalt und Ausbau unseres Kölner Grünsystems, DAS wäre Ursachenbekämpfung. Und wenn wir damit vor Jahrzehnten begonnen hätten, müssten wir heute auch keinen Hitzeaktionsplan für Köln beschließen!
Und großartig dass wir heute die Erstellung eines Maßnahmenkatalogs für ein klimaneutrales Köln in Auftrag gegeben haben – aber diese Maßnahmen müssen wir dann auch mutig und konsequent umsetzen! Viele davon sind übrigens längst bekannt, die meisten Lösungsvorschläge liegen schon seit Jahren oder Jahrzehnten auf dem Tisch, aber wenn es wirklich drauf ankommt einschneidende aber notwendige Veränderungen zu beschließen, dann kneifen die politischen Entscheidungsträger:innen.
Wir brauchen keine immer neuen Strategiepapiere und Beratungsrunden – wir brauchen mutige Politiker:innen, die ihrer Aufgabe gewachsen sind und sich ihrer Verantwortung stellen!
Unsere Aufgabe, unsere Verantwortung ist es dafür zu sorgen, dass die notwendigen Veränderungen möglichst gerecht und reibungslos verlaufen. Und ich rede von signifikanten Veränderungen in ALLEN Lebens-und Wirtschaftsbereichen.
Die Klimakatastrophe wird sowieso massive, einschneidende Veränderungen mit sich bringen, ob wir das wollen oder nicht. Der Klimawandel kennt keine Kompromisse, und mit dem Klimawandel lässt sich auch nicht verhandeln. An den Klimawandel kann die Menschheit sich nicht anpassen. Und darauf zu hoffen und zu warten dass zukünftiger technologischer Fortschritt alle unsere Probleme löst, ohne dass wir dafür unseren Lebensstil ändern müssten, das ist wie weiter Kettenrauchen und auf die Wunderpille warten…
Ein „weiter so“ kann es nicht geben, die ersten Klimakipppunkte und mit ihnen Kaskadeneffekte sind längst ausgelöst, die Vernichtung unseres Lebensraumes wie wir ihn kennen ist irreversibel im Gang – und eure größte Sorge ist dass eure Grossspender und Klüngelbuddies aber gerne hier noch ein paar Luxusappartments bauen und da noch mit 70 Sachen ihre SUVs in Köln spazierenfahren wollen?!
Die Liste der politischen Möglichkeiten für Köln ist lang, die Liste des politischen Versagens leider auch:
Da werden zb immer noch fleißig kilometerlange Tunnel und vielspurige Stadtautobahnen geplant, die massiv Zeit, Geld und CO2 kosten, aber von kostenlosem ÖPNV für Alle und der Vision Zero mit flächendeckend sicheren Rad- und Fußwegen ist Köln meilenweit entfernt.
Da wird weiterhin munter Stadtgrün vernichtet, während dem Grünflächenamt nichtmal genug Ressourcen zur Verfügung gestellt werden um wenigstens das noch vorhandene Grün angesichts der zunehmenden Hitze zu bewahren.
Da wird weiterhin munter Stadtraum versiegelt, aber wenn sich hier und da einfachste Möglichkeiten bieten wenigstens kleine Strassenabschnitte umgehend vom MIV zu befreien wird unter fadenscheinigen Argumenten dankend abgelehnt.
Da werden prestigeträchtige Nobelbauten genehmigt, aber die Quote beim Schulbau und beim sozialen Wohnungsbau bleibt erbärmlich.
Und wenigstens beim eigenen Catering mit gutem Beispiel voran zu gehen und die Gewohnheiten auf eine fleischlose Ernährung umzustellen, nichtmal dafür reicht es in der Riege der politischen Verantwortlichen Kölns… usw usw….
Dabei zeigen uns die Analysen und Fakten, jüngstes Beispiel die Klimastrategie, dass sich konsequenter Klimaschutz für ALLE lohnt! Auch wirtschaftlich! Worauf warten wir also noch? Wir haben keine Zeit für „weiter so“!
Und nein, Menschen wie ich, die euch auf die Faktenlage hinweisen, sind weder radikal noch kriminell – auch nicht wenn sie aus purer Verzweiflung angesichts der Dringlichkeit der Lage und der Untätigkeit der politischen Verantwortlichen zu Mitteln des Zivilen Ungehorsams greifen.
Friedlicher, nicht-eskalativer Ziviler Ungehorsam, so wie ihn u.a. Fridays for Future und die Letzte Generation nutzen, ist ein absolut legitimes demokratisches Mittel des Protestes.
Und nicht der Protest von Klimaaktivisti gefährdet Menschenleben, Zivilgesellschaft und Demokratie, sondern die Untätigkeit und Verweigerung der Politik. Hört endlich auf euch wegzuducken und rauszureden – es geht um Milliarden von Menschenleben, verdammt nochmal! Und wir schaffen das nur gemeinsam, alle zusammen. Oder wir versinken im Chaos…
Ich stehe hier als Politikerin, als Mutter und als Lebewesen auf diesem Planeten. Und ich bin sehr verzweifelt. Es kann und darf kein „weiter so“ geben. Deswegen sorge ich jetzt dafür dass es zumindest hier und jetzt nicht wie üblich weitergeht sondern wenigstens ein kleines bisschen anders läuft als sonst… [klebt sich am Rednerpult fest] … und bitte um Solidarität aller Menschen hier im Saal, denen es angesichts der Drastik der Situation geht wie mir.“
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